Montag, 26. März 1990

Die große Flut

Erschienen in trend profil EXTRA 3/90



Die Informationen darüber, wie wir die Informationsflut verarbeiten sollen, sind zur Informationsflut geworden.



Dieser Artikel trägt vermutlich dazu bei,  Sie informationshungriger Leser, der sich vielleicht zur Anschaffung eines Personalcomputers entschlossen hat, oder Sie, wissensdurstiger Anwender, der bereits einen Schritt weiter ist, neuerlich zu verunsichern.

Denn Sie werden auf den nächsten Seiten von Dingen lesen, von denen Sie bisher dachten, dass alles ganz anders sei. Das ist nämlich der Fluch der Bildungsexplosion: Wissen ist nicht mehr Macht, sondern macht unsicher. Und jene, die sich vorgenommen haben, gerade auf dem Gebiet der EDV firm sein zu wollen, haben sich allerhand für das Leben nach dem Tode vorgenommen.

Für das nähere Verständnis von Hard- und Software gibt es Zeitungen und Zeitschriften, Bücher und Kataloge, Seminare und Kurse, Händlertage und Kundenschulungen,  Symposien und Messen - und den Inhalt all dieser Druckwerke und Veranstaltungen zumeist auch wieder auf handlichen Disketten. Dies alles für die Handhabung eines Arbeitsgerätes, von dem uns die Anbieter seit Jahren einreden, dass die Bedienung kinderleicht sei und es unser berufliches und privates Leben um vieles leichter machen werde.

Im Bereich allein der deutschsprachigen Fachzeitschriften ist es allerdings nicht mehr einfach den Überblick zu behalten. In Deutschland sind zur Zeit 53 Titel auf den Markt, die sich allein mit dem PC und seiner Umgebung befassen, wobei sie sich in den großen Teil der Ratgeber für die IBM-Kompatiblen (Chip, PC-Welt, usw. ) sowie in die Spezialmagazine für den Commodore (C64, Amiga etc. ) , Atari (Xest) und Mac (Macup, Macwelt etc.) gliedern. Daneben gibt es noch spezielle Magazine die rein auf die Gruppe der Spieler zugeschnitten sind, wie etwa ASM (Aktueller Software Markt), Smash oder Joystick. Sie werden zum allergrößten Teil auch in Österreich vertrieben, wobei hier noch ein Dutzend Magazine wie Com, Output, Micro, PC-Report etc. ) spezifisch den alpenländischen Markt beackern.

Als Benutzer eines flinken Macintosh SE in der Redaktion, eines gemächlichen XT zu Hause, eines handlichen und trotzdem unzeitgemäßen (Betriebssystem CP/M), transportablen Epson PX8 auf Reisen; als Fachbesitzer in der Telebox und Herumstöberer in allen erreichbaren Mailboxen und Datenbanken; als erfahrener Pilot am Flugsimulator IV und rasanter Chauffeur bei Testdrive 2 bin ich natürlich an allen erreichbaren Informationen brennend interessiert.

Wenn ich auch nicht immer alles verstehe , was ich lese.

Die geringsten Probleme habe ich natürlich bei Alfred Worms oder Dr. Stefan Gergelys Stories im tech-trend, denn sie sind ja -getreulich der trend-Philosophie - so formuliert, dass sie auch der Zahnarzt im Waldviertel verstehen soll.

In "Chip" oder "Macup " konsumiere ich mit Genuss die Berichte über neue, immer mächtiger werdende Maschinen, über die Möglichkeiten, bereits vorhandene Geräte aufzumascherln oder über die letzte Version von Softwarepaketen, die ich selber im Besitz habe. Am interessantesten ist für mich der Inseratenteil,  den ich permanent nach günstigen Angeboten - Schnäppchen sagen unsere bundesdeutschen Nachbarn - durchforste. Habe ich ein Schnäppchen ausgemacht- sei es ein günstiges Softwarepaket, eine Zusatzkarte, die es in Österreich (noch) nicht gibt oder ein lange gesuchtes Handbuch -schneide ich die Annonce fein säuberlich aus, klebe sie zur weiteren Verwendung in meinen allzeit griffbereiten Time-manager. Bis ich diese unaktuell gewordene Seite nach drei Monaten heraus reiße und wegwerfe. Auf diese Weise bin ich schon um die immens wichtigen Programme On Call, Type Teacher und "das reine Wahnsinnsprogramm" top adult - eine Sammlung von sieben Sex-Disketten, gekommen.

In den österreichischen Fachgazetten findet die Vorstellung diverser Geräte oft erst mit einer Verspätung gegenüber der ausländischen Presse statt. Was aber nicht an den fachlich hochstehenden österreichischen Redakteuren liegt, sondern an der Geschäftspolitik der EDV-Verkäufer. Denn Hard- und Software wird im Jargon der Herren nicht einfach "ausgeliefert" sondern "freigegeben". Und für Österreich meist als letztes.

Der Inseratenteil der inländischen Magazine ist leider nicht so üppig wie der in der BRD, dafür finde ich die Software oder Gerätepreise in Schilling angegeben, aber auch öfters Passagen, für die ich mich nicht so recht erwärmen kann. Wie etwa: "Die Lösung besteht aus drei Komponenten: SK-NetBoard mit eigener Intelligenz (MC 68000), TCP/IP Protokolle /(Firmware direkt am Ethernet -Controller implementiert) und einem speziellen Netware-Treiber."

Da sind mir die Texte aus ASM (Aktueller Software Markt) schon lieber.

Es ist eines jener Hefte, die vollgepfropft sind mit Tests der neuesten Spiele, die auf PC-Kompatiblen, Commodore , Atari und mehreren anderen laufen. Was sich dann etwa so liest:

" Für diejenigen, die noch immer nicht gerafft haben, worum es bei Afterburner geht, hier ein paar Worte zum Inhalt: Der Spieler schnappt sich `ne Pilotenkutte, 'nen Helm und schmeißt sich in seine F 14 Tomcat, um mit diesem Flieger über feindliches Gebiet zu düsen. (und wir düsen, düsen, düsen im Sauseschritt. . . ) Währenddessen wird alles abgeholzt, was so in der Luft und auf 'm Boden rumkriecht oder fliegt. Egal ob Flugzeuge, Raketen oder sonstige Hindernisse, alles muss plattgemacht werden. "

Da biste platt, wa?
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