Dienstag, 7. Juni 2011

Probleme nicht bewältigt


Grenzkontrollen, Sperrzonen, voraussichtliche Demonstrationen, mehrere hundert Polizisten, Luftraumüberwachung durch Hubschrauber und Eurofighter – alles wegen der Regionalkonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF), die in Wien stattfinden wird und an der 50 Staats- und Regierungschefs sowie 500 Gäste teilnehmen. Eine Veranstaltung, die laut Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister im gestrigen „Wien heute“ keine Konferenz ist, „die ernsthaft nach Lösungen sucht“, sondern ein „Teil eines Show Business“ ist. Es werde der Eindruck erweckt, dass man sich mit den Problemen beschäftige, ohne dies tatsächlich zu tun. Fazit: Es kann nichts herauskommen, da man nicht versuche, Probleme zu bewältigen.
Da erhebt sich aber schon die Frage, warum für eine derartig unnötige Veranstaltung ein so hoher organisatorischer, sicherheitstechnischer, personeller und finanzieller Aufwand getrieben wird, der sicher vom Steuerzahler zu begleichen ist.

Sonntag, 5. Juni 2011

Lexikon für Bauherren


All jenen gewidmet, die der Fachsprache rund um den Hausbau noch nicht gewachsen sind.


Das erste Haus baue für Deine Feinde, das Zweite baue für Deine Freunde und das Dritte baue für Dich selbst".
Dieser heiße Tipp, wieder einmal aus dem für Hausbau- Sinnsprüche so bekannten alten China, ist zwar gut, aber für den privaten Bauherrn mit der leeren Tasche eher unbrauchbar. Schon eher geeignet für professionelle Hauserrichter, aber die ziehen sich auch noch nach dem 100. Haus Feinde zu.
Woher bezieht der potentielle und dann auch ins konkrete Stadium fallende Hausbauer nun seine Kenntnisse ?
Nun , in erster Linie von seinen Leidensgenossen, die nach der vorgeschriebenen Baumpflanzung und Sohnzeugung (altes chinesisches Sprichwort) bereits ein Haus gebaut haben. Diese- meist durch die Vergangenheit verklärten - Erlebnisse besitzen allerdings nur bedingten Gebrauchswert für andere, betreffen sie doch ein konkretes Grundstück, eine bestimmte Beamtenschaft und ein Objekt. Und ein altes österreichisches Sprichwort sagt, dass etwas, was in Leobersdorf (NÖ) gilt, noch lange nicht in Teesdorf (NÖ) gelten muss.
Das heißt, dass bauen eine zutiefst individuelle Angelegenheit ist- nämlich für alle Beteiligte.
Der nächste Schritt ist dann die Flucht in die Literatur. Heute gibt es ja eine Unzahl von sogenannten "How to do" -Geisteswerken, die gutgemeinte Ratschläge für jede Lebenslage auf jeder Seite bereit halten. Titel wie "Besser schreiben, reden, rechnen", "Der Erleuchtung ist es egal, wie Du sie erlangst", "Was tun, wenn alles schief geht", Strategien für den Coup", "Räumen Sie in Ihrem Leben auf" werden aber für den Besitzer eines nackten Grundstückes von mäßigem Gebrauchswert sein. Aber gerade auf diesem Gebiet gibt es eine Zahl von informativen Standardwerken profilierter Autoren, die - jetzt ohne Titel zu nennen- das Problem " Bauen & Wohnen" für jedermann durchschaubar machen.
Nach Studium dieser Geisteswerke einschließlich jener zahlreichen Broschüren , die Geldinstitute, Versicherungen oder andere kommerzielle Gemeinschaften herausgeben, ist die anschließende Konfrontation mit den Fachleuten unausbleiblich. Und diese finden sich in der Bank, am Gemeindeamt, bei der Baupolizei und natürlich auf der Baustelle en masse. Da natürlich deren Wissen Macht und die Unwissenheit des Bauherrn - ein Titel ähnlich dem Ehrendoktor-Geld bedeutet, hat es sich EXTRA zur Aufgabe gemacht, die wichtigsten Grundbegriffe für Herren und Damen am Bau in Art eines Lexikons zu erklären:

ARCHITEKT: Ist jener staatlich befugte Fachmann , der sich als Erster mit den bauweltfremden Ansichten des Bauherrn auseinandersetzen muss. Da sich meist der A. mit dem Geld des B. ein bleibendes Denkmal setzen möchte, der B. aber mal denkt in einem funktionierenden Haus bleiben zu können, ist der Konflikt nur eine Frage der Zeit. Er tritt spätestens beim Legen der ersten Honorarnote des A. zutage.

BAUBEHÖRDE: Sind zwar Beamte, aber auch nur Menschen. Um nicht schon beim Kelleraushub in den Ruin getrieben zu werden, versuchen deshalb clevere Bauherrn jenen Herren, die eine hirnrissige und geldverschlingende Bauordnung durchzusetzen haben, vorerst Wünsche auf der zutiefst menschlichen Ebene zu erfüllen. Zu tief sollte man allerdings nicht gehen, denn zwischen einem Verstoß gegen die Gewerbeordnung oder das Strafgesetzbuch können Jahre liegen.

BAUFÜHRER: Ist der, der in fremden Auftrag und für fremde Rechnung als Unternehmer ein Bauwerk hinstellt. Was dann genau so ausschaut. Er ist der Anführer eines meist wilden Haufens weiß- oder blaugewandeter Gestalten, der in wildem Gebrüll auf deutsch Anweisungen erteilt, deren Undurchführbarkeit ihm auf kroatisch zugerufen werden. Die tägliche Anlieferung von einigen Kisten Bier, Schinken und Speck (kiloweise) durch den Bauherrn, senkt zwar nicht die Lautstärke , steigert dafür aber die Durchführbarkeits-Rate.

BEBAUUNGSBESTIMMUNGEN: Sie dienen einerseits dazu, einem Heer von Beamten Brot , Butter und Macht zu geben, denn für jeden Neu- Zu -oder Umbau muss das Placet der Baubehörde erbeten werden. Auf der anderen Seite jedoch sind sie Gradmesser der Innigkeit des Verhältnisses zwischen dem Bauherrn und etwa dem Bürgermeister. Natürlich in all jenen Fällen, wo gegen sie verstoßen wird. Wer zwei Stockwerke zu hoch gebaut hat und trotzdem keinen Abbruchbescheid bekommt, hat sicherlich den richtigen Weg zum Herzen der Baubehörde erster Instanz gefunden .

GRUNDBUCH: Ist das Verzeichnis sämtlicher Liegenschaften, das beim zuständigen Bezirksgericht aufliegt. Natürlich konnte der Fortschritt auch hier nicht vorbeigehen und so geschah es, das viele der Grundbücher bereits auf EDV umgestellt haben. Der Unterschied ist gravierend: Konnte man früher manche Eintragungen auf Grund der krakeeligen Handschrift mancher Buchführer kaum entziffern, übernimmt diese Aufgabe heute ein billiger Matrixdrucker, dessen dahinsiechendes Farbband matte Eindrücke auf weißem Papier hinterlässt. Als wohltuender Kontrast hebt sich jedoch eine farbstarke Stempelmarke ab.

EIGENMITTEL: Ist jene Summe Geldes, die aufzubringen ist, wenn mit staatlicher Förderung gebaut werden soll. Sie setzt sich zusammen aus den Ersparnissen aus neun nicht angetretenen Urlauben, dem Erlös des Kleinwagens der Gattin, aus dem Verkauf eines Kinderwagens und eines Mountainbikes, der Verpfändung des Ersatz(Gold)Gebisses der Großmutter sowie einem Gehaltsvorschuss bis zum Jahr 2002. Das ganze auf einen Haufen ergibt dann die Eigenmittel, die zur Erlangung eines Eigenmittelersatzkredites notwendig sind.

FÖRDERUNGSWERBER: Ist jener, der seinen ganz persönlichen Stolz abgelegt und den langen Marsch durch die Instanzen angetreten hat. Der ständige Wandel der Förderungsrichtlinien, der mancherorts selbst die mit der Materie vertrauten Beamten hilflos zurück lässt, ist das ideale Übungsgelände für Förderungs-Masochisten. Und das billige Geld vom Vater Staat gibt es meistens erst dann, wenn schon wieder alles teurer geworden ist. Gewifte Bauherrn legen daher bereits zum Zeitpunk der Einreichung testamentarisch fest, dass das Neubau-Geld auch für einen Abbruch verwendet werden kann.

GESAMTBAUKOSTEN: Das ist jene Summe , über deren Höhe sich die meisten Hausbauer auch Jahre nach der Fertigstellung glücklicherweise im Unklaren sind. Denn Kreditzinsen, Gebühren und Steuern lassen die meisten nobel unter den Tisch fallen. Und die verschwitzten Arbeitsstunden die sie selbst auf der Baustelle verbracht haben, fallen unter den Begriff Hobby. Das ihnen bis zum Lebensende beliebt, denn nach der Endabrechnung beginnen ja die Reparaturarbeiten.

SELBSTHILFE: Nobel Eigenleistung , ordinär Pfusch genannt. Wem der Staat, die Bank oder die Bausparkasse nicht oder zu wenig unter die Arme greift, der schreitet zur Selbsthilfe und wankt nach Jahren über die noch unfertige Schwelle. Er hat damit sein Recht auf ein freies Wochenende und einen Urlaub verwirkt, sein Freundeskreis besteht aus Baumax und Stadlbauer, sein sicherer Posten wackelt wie das Hausgerüst im Winde und wenn das Einfamilienhaus fertig ist, merkt er, dass keine Familie mehr da ist.

VERKEHRSWERT: Ist der zu erzielende Preis auf dem Grundstücksmarkt im normalen Geschäftsverkehr. Da es jedoch auf dem Immobilienmarkt keinen normalen Geschäftsverkehr gibt, gestaltet sich der V. dementsprechend. Das beginnt damit, dass man das Grundstück schon zu teuer eingekauft, im Kaufvertrag jedoch -wegen der Steuer- viel weniger angegeben hat. Im Lauf der Bau-Jahre hat die rührige Gemeinde eine entsprechende Infrastruktur geschaffen- sprich die Gegend strotzt vor Industrieansiedlungsprojekten. Zur Erschließung derselben sind Schnellstraßen und Autobahnen nötig, die vor dem einst lauschigen Grundstück vorüberziehen und der Plan für eine Sondermülldeponie erhält immer mehr Zuspruch(Von der Nachbargemeinde). Um sich also nach 25 Jahren einen Platz im Pensionistenheim erkaufen zu können, wird verkauft. Da jedoch mehr Verkehr nicht unbedingt höheren Verkehrswert bedeutet, sieht der Preis genauso aus, wie damals.

WIRTSCHAFTLICHE ABBRUCHREIFE: Geht meist Hand in Hand mit der "technischen Abbruchreife". Sie tritt dann ein, wenn in maßloser Überschätzung der eigenen Fähigkeiten ein Haus im Alleingang- siehe ---> Selbsthilfe- errichtet wurde und sich selbst allerhand gewohnte Baupolizisten weigern, das Haus zur Erteilung der Benützungsbewilligung zu betreten. Derartige Fälle sollen allerdings auch schon vorgekommen sein, wenn ein ---->Bauführer am Bau das Lallen hatte.
ZWANGSHYPOTHEK: Ist meistens das letzte Mal, wo man mit den bisher so freundlichen Banken zu tun hat. Danach gibt es nur mehr den Verkauf zum ----> Verkehrswert.


Erschienen in trend profil EXTRA 2/1990

Donnerstag, 17. März 2011

Ich sehe schwarz


In diesem Winter wollte ich über meinen Schatten springen und mir eine rote Daunenjacke kaufen. Wohlgemerkt nicht für sportliche Zwecke, sondern für den täglichen Gebrauch. Ich durchstreifte die einschlägigen Häuser der Modeketten in der Innenstadt , in der Mariahilferstraße, kämmte die Shopping City durch – allein es gab nur schwarze Bekleidung. Schwarze Jacken – mit und ohne Daune, hell- und dunkelschwarze schwarze Funktionsjacken, Cabans, Overcoats - nur vereinzelt schimmerte im Sortiment eine graues, beiges oder dunkelgrünes Bekleidungsstück durch. Selbst in Parndorfs Outlet Center mit seinem umfangreichen Warenangebot fand ich farbenfrohe Überzieher lediglich in der Snowboarder-Abteilung.
Kommentare der Verkäufer: „Heuer trägt man schwarz.“
Tatsächlich!
Seitdem ich nach diesem mode-philosophischen Satz die Menschen auf den Straßen mit anderen Augen betrachte erkenne ich, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung – und speziell der jüngere – in Schwarz gekleidet daher kommt. Dies dürfte auch für die Gewänder darunter gelten, denn auch an Kaffeehaus- oder Wirtshaustischen ist der Dresscode so, dass einem schwarz vor Augen wird.
Nun ist ja schwarz als „Modefarbe“ nicht ganz neu: Da wollen wir mal Trauergäste, Rabbiner und Kellner aus dem Gastgewerbe beiseite lassen. Architekten beispielsweise sind seit langem eine Zunft, die sich in dezentes Schwarz hüllt – möglicherweise deswegen, da viele Entwürfe einem Trauerspiel gleichen.
Analysten – die unfehlbaren Auguren unserer Geldwelt – sind immer am schwarzen Anzug zu erkennen, was die Trauer um das verlorene (fremde) Geld widerspiegelt. Und natürlich Künstler, vornehmlich Schauspieler kleiden sich in der Unfarbe schwarz. Möglicherweise eine Art von intellektueller Standestracht.
Warum aber tun es ihnen tausende auf den Straßen nach? Und es ist ja nicht allein eine nationale Modemarotte: Egal ob italienischer, deutscher, spanischer, slowakischer oder polnischer Tourist auf der Wiener Kärntnerstraße – sie alle tragen schwarz.
Ist es nur eine vorübergehende Mode, oder doch Ausdruck eines eher pessimistischen Gefühls angesichts der prekären politischen und wirtschaftlichen Lage, die schon vor dem Japan-Disaster zu beobachten war?
Hoffentlich nicht.