Donnerstag, 17. März 2011

Ich sehe schwarz


In diesem Winter wollte ich über meinen Schatten springen und mir eine rote Daunenjacke kaufen. Wohlgemerkt nicht für sportliche Zwecke, sondern für den täglichen Gebrauch. Ich durchstreifte die einschlägigen Häuser der Modeketten in der Innenstadt , in der Mariahilferstraße, kämmte die Shopping City durch – allein es gab nur schwarze Bekleidung. Schwarze Jacken – mit und ohne Daune, hell- und dunkelschwarze schwarze Funktionsjacken, Cabans, Overcoats - nur vereinzelt schimmerte im Sortiment eine graues, beiges oder dunkelgrünes Bekleidungsstück durch. Selbst in Parndorfs Outlet Center mit seinem umfangreichen Warenangebot fand ich farbenfrohe Überzieher lediglich in der Snowboarder-Abteilung.
Kommentare der Verkäufer: „Heuer trägt man schwarz.“
Tatsächlich!
Seitdem ich nach diesem mode-philosophischen Satz die Menschen auf den Straßen mit anderen Augen betrachte erkenne ich, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung – und speziell der jüngere – in Schwarz gekleidet daher kommt. Dies dürfte auch für die Gewänder darunter gelten, denn auch an Kaffeehaus- oder Wirtshaustischen ist der Dresscode so, dass einem schwarz vor Augen wird.
Nun ist ja schwarz als „Modefarbe“ nicht ganz neu: Da wollen wir mal Trauergäste, Rabbiner und Kellner aus dem Gastgewerbe beiseite lassen. Architekten beispielsweise sind seit langem eine Zunft, die sich in dezentes Schwarz hüllt – möglicherweise deswegen, da viele Entwürfe einem Trauerspiel gleichen.
Analysten – die unfehlbaren Auguren unserer Geldwelt – sind immer am schwarzen Anzug zu erkennen, was die Trauer um das verlorene (fremde) Geld widerspiegelt. Und natürlich Künstler, vornehmlich Schauspieler kleiden sich in der Unfarbe schwarz. Möglicherweise eine Art von intellektueller Standestracht.
Warum aber tun es ihnen tausende auf den Straßen nach? Und es ist ja nicht allein eine nationale Modemarotte: Egal ob italienischer, deutscher, spanischer, slowakischer oder polnischer Tourist auf der Wiener Kärntnerstraße – sie alle tragen schwarz.
Ist es nur eine vorübergehende Mode, oder doch Ausdruck eines eher pessimistischen Gefühls angesichts der prekären politischen und wirtschaftlichen Lage, die schon vor dem Japan-Disaster zu beobachten war?
Hoffentlich nicht.