Samstag, 6. April 2013

Wohnpolitik



Wer kann sich Wohnen noch leisten?



Das ist ein Essay, der in der Erstauflage meines Buches „Bauen und Wohnen“ bereits 1985 erschienen ist und der in den diversen Neuauflagen modifiziert wurde. Die letzte Version erschien 1996 – allerdings gilt sie heute noch wie damals - wie die derzeitige Diskussion zeigt. 


"In Österreich gibt es keine quantitative Wohnungsnot, sondern nur ein qualitative" ist der stehende Spruch von Bundes- und Landespolitikern, die ihrerseits in aus Steuermilliarden errichteten Eigentums-, Genossenschafts- oder Dienstwohnungen sitzen.
"Jeder Mensch hat ein Grundrecht darauf, in einer gesunden, ausreichend großen Wohnung leben zu können" tönen jene, die seit Jahren an diversen Gesetzen zur Linderung der Wohnungsnot herummurksen.
Mit dem Resultat, dass menschengerechtes Wohnen immer unerschwinglicher wird. Und in ganz Österreich warten etwa 220.000 Familien darauf, dass man ihnen zu ihrem "Grundrecht" verhilft - bisher erfolglos. Denn mit der Wohnungsnot - die manche aus Protest dazu veranlasst, auf die Straße zu gehen - lässt sich Politik machen.
So präsentiert sich heute noch der Wohnungsmarkt  als Kampfstätte kollidierender Interessen zwischen Hausherrenverbänden, politisch eingefärbten Genossenschaften, gewinnorientierten privaten Wohnbauträgern und auf Stimmenfang ausgehenden Kommunen.
Auf der Strecke bleibt der Wohnungssuchende.
Er sieht sich einer Situation gegenüber, die an Abstrusität ihresgleichen sucht: Da gibt es nach wie vor die Hofratswitwe, die für eine monatliche Miete von 750 Schilling ein Eckerl ihrer 240-Quadratmeter-Wohnung erwärmt und den Rest - aus Altersgründen - einfach verkommen lassen muss.
Im Stockwerk darunter blecht der Angestellte, der sich mit seiner fünfköpfigen Familie knapp 60 Quadratmeter teilt, eine - nach Richtwert festgelegte - Miete an den Hausherrn von knapp 3.200 Schilling (ohne Betriebskosten).
Im neu errichteten Nebenhaus logiert eine Studentin in einer 40 Quadratmeter - Garconniere, die an eine Eigentümergemeinschaft im Monat über 7000 Schilling Miete (inkl. Betriebskosten) blechen muss und zittert, dass ihr Mietvertrag nach drei Jahren verlängert wird.
Wem das zu teuer ist, der lässt sich bei einer Genossenschaft auf die Warteliste setzen und bekommt  für 500.000 Schilling und eine monatliche Nutzungsgebühr von 7.500 Schilling (ohne Heizkosten) eine Wohnung, die ihm nie gehören wird.
Wer eine der wenigen geförderten Eigentumswohnungen ergattert oder die Marie für eine freifinanzierte derartige Bleibe hat, strapaziert seine Nerven mit Endabrechnungen und Nachzahlungen und kann zu guter Letzt noch darum zittern, dass sein Eigentum auch ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen wird, bevor die Errichterfirma pleite macht. 
Dass die Liebhaber alter Wohnungen, die von den Hauseigentümer im Eigentum vergeben werden, oder die Fans von Dachbodenwohnungen, ihren Traum längst aufgegeben haben, liegt weniger an der Sprunghaftigkeit der Suchenden, sondern schlicht an den Preisen.
Und wer letztendlich so betucht ist, dass er den Traum vom Eigenheim auf der grünen Wiese wahrmachen könnte, benötigt so viel Freizeit wie der Pensionist Helmut Kohlmaier, die Standhaftigkeit eines Wolfgang Schüssel, die Nerven eines Hannes Androsch und die Durchschlagskraft eines Otto Wanz.
Von der dicken Brieftasche mal abgesehen.
Die durch "Steuerreformen" und Sparpakete der letzten Zeit erheblich dünner wurde. Denn so sicher wie die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, so sicher wird auch Wohnen in Österreich teurer.