Sonntag, 22. Dezember 2013

Was muss ein Politiker eigentlich können ?

Das ist ein Essay, der im November 1989 im Wirtschaftsmagazin "trend" erschienen ist und wie man am Beispiel der letzten Regierungsbildung sieht, zeitlos ist.


Mein treuer Leser spielte mir vor kurzem eine Zeitung älteren Datums zu, in der er ein Inserat der Vranitzky GesmbH & Co KG rot angestrichen hatte:
"Für unser staatliches Unternehmen, Raum Österreich, suchen wir zu sofortigen Antritt zwei Minister. Ihr Aufgabengebiet umfasst neben der gelegentlichen Anwesenheit im Hohen Haus und dem Ministerium auch die Übernahme von Verantwortung, das Durchschneiden von Bändern, Eröffnen von Kongressen und Bällen sowie die oftmalige Präsenz in ORF und Presse. Bevorzugt werden Bewerber mit politischem Kopf, breitem Rücken, elastischem Rückgrat, gutem Magen und hoher Standfestigkeit. Diese interessante und verantwortungsvolle Tätigkeit ist entsprechend dotiert und mit über die üblichen Sozialleistungen hinausgehenden Privilegien ausgestattet. "
Prompt haben sich der Busek und der Schüssel gemeldet.
Oder war es ganz anders ?
War es vielmehr so, dass der Vranitzky zum Busek gegangen ist und meinte: "Schau,  werter Kollege, der Tuppy ist doch im politischen Geschäft ein bisserl unbeholfen und kommt auch bei den Studenten nicht so recht an. Wie wär's wenn wir mal eine graue Maus gegen einen bunten Vogel auswechseln. Apropos bunt: Eigentlich könntest den Schüssel mit seinen bunten Mascherln gleich mitbringen, der Bobby mag auch nicht mehr so recht, und der Sallinger hat g'meint, der Bub würd` sich ganz gut als Minister machen. "
Oder war es ganz anders ?
Wir werden es, wenn nicht der Alfred Worm es im profil aufdeckt, wahrscheinlich nie erfahren. Vielleicht ist es auch besser so, dass wir nicht wissen, wie in Österreich Minister gemacht werden.
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Würden Sie ja sagen, wenn Sie heute Vranitzky anruft und fragt, ob Sie Minister werden möchten ?
Der Mock und der Lichal, der Fischler und der Geppert, die Flemming und der Ettel, der Streicher und der Lacina haben.
Ich hätt` mich nicht getraut.
"Du bist eben ein tumber Journalist" sagt mein Freund Rudi. Mit einer abgeschlossenen Halbbildung, ohne Niveau, ohne entsprechendes Auftreten, ohne klar formulierte politische Meinung. "Generalist" schimpft er mich auch.
Sie wissen was ein Generalist ist: Einer, der von Allem nix versteht solange bis er von Nix alles weiß.
Aber der Mock , das ist der geborene Außenpolitiker; der Flemming wurde der Umweltschutz bereits in die Wiege gelegt ; der Fischler ist immerhin Tiroler und der Streicher war - so erzählt man sich - ein erfolgreicher Manager bei der Verstaatlichten.
Und überhaupt - so sagt Rudi - was braucht ein Minister schon von seinem Ressort verstehen. Es genügt doch - das hat sogar einmal der alte Kreisky gebrummelt - wenn einer ein politischer Kopf ist. Er hat ja die Leute im Ministerium, die ihm sagen, was zu tun ist. Sie bereiten alles für ihn vor und er braucht nur mehr zu unterschreiben.
Eben.
Da sitzt dann einer, unterschreibt Papiere, die über das Wohl und Wehe von Menschen, Firmen oder ganzen Branchen entscheiden und übernimmt natürlich dann die Verantwortung.
Ein Österreicher mit Verantwortung. Heute im Außen-, morgen im Innenministerium; dann wieder im Verteidigungsressort und wenig später halt Kanzleramtsminister- was immer das sein mag.
Diese Leute scheinen halt uns normalen Bürgern gegenüber noch lernfähig zu sein.
"Na, so einfach darfst Du es Dir nicht machen" ermahnt mich mein Freund. "Immerhin haben die Herrschaften schon gezeigt, dass sie für diese Jobs Talent haben und durchaus qualifiziert sind. Der Mock hat seine außenpolitischen Sinne im Rahmen der EDU geschärft und der Lichal hatte schon lange vor seinem Amtsantritt ein gewisses Faible für Waffen. Der Lacina zeigte schon als Verstaatlichtenminister , dass er das Zeug zum Weghören hat und der Löschnak, der Geppert, der Ettel und die Flemming haben ja . . . . . . . . ???"
Tja, was haben die eigentlich vorher gemacht ?
"Wühl nicht schon wieder in der Vergangenheit herum", rügt mich mein Freund. "In der Politik sind die Dinge eben kompliziert, wie schon ein großer Staatsmann meinte. Hier hat sich der Mensch voll in den Dienst am Volke zu stellen und seine Pflicht dort auszuüben, wo ihn die Partei oder sonst wer hinstellt. "
Egal ob es nun eine Abfertigung oder mehrere dafür gibt.

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"Ich weiß nicht", so sagt mein Freund Rudi, "was Du nur gegen die Personalpolitik der Firma Österreich hast. Gerade die jüngsten Beispiele wie Busek und Schüssel zeigen, dass es einen trend in Richtung dynamisch, kompetent, jung und herzeigbar gibt. "
Da hat er durchaus recht. Das ist eine Entwicklung, die mit dem Nadelstreif-Charme von Vranitzky begann, sich mit Haiders chamäleonartiger Anpassungsfähigkeit fortsetzt und mit dem Dressman Schüssel einen vorläufigen Höhepunkt findet.
Oder können Sie sich vorstellen, dass der nächste Bundeskanzler 120 Kilogramm wiegt, ein Glatze und schlechte Zähne hat, Hemden und Anzüge aus dem Versandhauskatalog trägt und lispelt ?
Um ehrlich zu sein: Ich kann mir den nächsten Bundeskanzler überhaupt nicht vorstellen. Weder von der einen , noch von der anderen , noch von ganz anderer Seite.
Schön muss er nicht unbedingt sein, denn das macht nur Probleme. Das wissen wir noch vom "schönen Hannes" her. Die Freunde und Vorgesetzten können das einfach nicht ertragen, werden eifersüchtig , nörgeln herum und suchen mit Gewalt nach Fehlern. Vor allem , wenn sie ein bissl älter sind, sagen sie dann Dinge in aller Deutlichkeit - ja - die einer hoffnungsfrohen politischen Karriere schon schaden können.
Mehr als äußerliche Schönheit zählt im Beruf des Politikers die Welt -und Sprachgewandtheit. Der Sekanina beispielsweise konnte all seine Reden und alle seine Antworten in sämtlichen seiner Funktionen verwenden. Der hatte - so höre ich - ein Manuskript für alle Gelegenheiten und 13 Standardsätze, die er in der Metallergewerkschaft, bei den Bauleuten und im Fußballbund gleichermaßen anwenden konnte. Er musste nur immer auf die richtigen Namen achten.
"Du übertreibst wieder einmal", sagt Freund Rudi, "dafür haben die Leute da oben den großen Überblick. sie denken in anderen Kategorien, in anderen Maßstäben und verlieren trotzdem nicht ihre Verbundenheit mit dem Volk. Sie wissen was die Leute bewegt, was die Bürger, die Menschen draußen wollen. "
Das kann ich mir nur von meinem Bürgermeister vorstellen, denn der ist, so lese, höre und sehe ich , immer adabei, wenn mehr als drei Leute in Wien zusammen kommen. Ob der Herr Justizminister in regelmäßigen Abständen sich nach dem werten Befinden seiner Häftlinge erkundigt wage ich trotz Einsitzens des prominenten Zuckerbäckers zu bezweifeln. Und der Herr Streicher hat nicht einmal einen so bekannten Künstler wie Herrn Hundertwasser gefragt, als er im Handstreich die der Seele der österreichischen Nation völlig konträren weißen Nummerntafeln in die Öffentlichkeit brachte.
Mich sowieso nicht.
Aber das ist alles nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die Herren gute Arbeit leisten, dass sie die Weichen für die Zukunft stellen, dass sie ordentliche Gesetze machen.
Sagt Rudi.
Was mich einigermaßen erstaunt: Er beschäftigt zur Zeit drei Steuerberater, prozessiert seit sechs Jahren in einer Grunderwerbssteuer-Causa, verlor bei der Pleite eines Kunden mehrere Millionen und ist erklärter Gegner der Gesamtschule.
Er ist halt ein unverbesserlicher Optimist. Genau so wie ich.
Zur Zeit sitze ich neben dem Telefon.
Könnte ja sein, dass Vranitzky anruft.