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Heinz F. Honies macht sich so seine Gedanken.
Donnerstag, 25. September 2014
Anekdoten: Stories verkaufen
Interne Konkurrenz
Stories verkaufen
Der wichtigste Termin für einen Lokalreporter ist die tägliche Redaktionskonferenz. Hier muss er das erste Mal seine Story verkaufen und dieses Publikum - nämlich die Kollegen - ist unerbittlicher als selbst der ultra-kritische Leser. Wer hier neben geschliffener Rhetorik und journalistischem Gespür nicht auch ein nahezu geniales Verkaufstalent an den Tag legt, wird in seiner Karriere scheitern. Sie ist aber auch die Gelegenheit, sich gegenüber seinem Ressortchef zu profilieren, zu dokumentieren, welch Fleiß und welch Einsatz an den Tag gelegt wurde, was sich nicht unwesentlich auf die Höhe der auszuzahlenden Honorare auswirkte.
Was im Fall des Kurier-Lokalchefs Reinald Hübl besonders wichtig war. Hübl war ein ewig schlecht gelaunter, mürrischer und autoritärer Mensch, dem seine Magengeschwüre zu schaffen machten und der das letzte Mal die Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen hatte, als ihm die englische Queen bei ihrem Wien-Besuch die Hand schüttelte. (Was prompt einen Seiten-Aufmacher mit dem Titel: „Die Queen hat mir die Hand gereicht" zur Folge hatte.)
Und daneben war er auch der Meinung, dass Journalismus sehr viel mit Transpiration und nur sehr wenig mit Inspiration zu tun habe.
Ein Verlassen des Arbeitsplatzes nach 14 Stunden empfand er als persönlichen Affront, ein Ansuchen um einen dreitägigen Urlaub wertete er als Revolution. Reporter, die täglich nicht mindestens fünf Stories - sogenannte „gute Geschichten" bei der Konferenz anbieten konnten, waren in seinen Augen für diesen Job ungeeignet.
Aus diesem Grunde hatte sich bei den Lokalreportern des Kurier an jedem Vormittag eine Story-Börse etabliert, deren Vorsitz naturgemäß der Frühredakteur führte, da er bereits seit sechs Uhr morgens den Nachrichteneinlauf kontrollieren konnte. Dem Mitteldienst, der um ca. 9 Uhr begann, blieben meist die Kommissariate und Gendarmerie-Kommanden, der Mittagsdienst, der um 11:30 Uhr kam, war der ärmste Hund. Hatte er sich nicht vom Vortag einige Themen beiseite geschafft oder bereits am Vormittag recherchiert, stand er um 13 Uhr vor dem gestrengen Hübl ohne Story da.
Diese undankbare Rolle hatte in diesem Falle Lokalreporter Rudolf John über, der hechelnd und atemlos im 10. Stock des Kurier Hauses eintrudelte, nach zwei Anrufen auf seinen Stammkommissariaten abgeblitzt war und nun auf die Milde des Frühredakteurs Günther Kallinger angewiesen war, der ihm zur Überraschung der herumlungernden Reporter und Fotografen vier Stories zur Präsentation überließ.
Was einigermaßen Aufsehen erregte, denn im gesunden Konkurrenzkampf unter dem Motto „Jeder ist seine eigene Fabrik" hütete jeder Reporter seine Geschichten wie einen Augapfel, die Besten - so die Legende - wurden höchstens testamentarisch weitergegeben.
Punkt 13 Uhr erscheint Hübl wie immer mit hochgekrempelten Ärmeln und fliegender Krawatte, fläzt sich in einen Stuhl und eröffnet mißgelaunt und brummend die Konferenz. Chefreporter Josef „Bubi" Jäger spult sein Krimi-Programm herunter, Günther Kallinger hat eine umfangreiche Palette vom Kupferkesseldieb bis zum blutigen Familienstreit anzubieten, Reinhard Wenzl ist in den Bundesländern erfolgreich gewesen, Gerichtsreporter Peter M.Lingens schildert blumig eine Notzucht und Peter Pilz - damals einer der ersten Grünen, aber weder verwandt noch verschwägert mit dem heutigen Pilz - erntet für eine Story über hungernde Schwarzafrikaner in Traiskirchen nur zynische Kommentare der Anwesenden, die Hübl mit einem Verdrehen der Augen abrupt stoppt. Was nahezu einem Todesurteil gleichkam.
„Herr John, bitte ?" wendet er sich etwas angewidert dem nächsten Kandidaten zu. Dieser nimmt den Zettel, auf die er die vom gutherzigen Kollegen Kallinger weiter gegebenen Geschichten notiert hat und hebt an:
„Also ich habe hier einen Verkehrsunfall auf der A2, bei dem der Lenker skalpiert und...."
„Ist ein Einspalter in der AZ, Herr John." Leichtes Herabfallen der Mundwinkel von Hübl.
„Ah hä, hä, so. Gut. Dann hätte ich eine Fortsetzung zum Raub von vorgestern, da hat nämlich der Täter ....."
„Herr John, das ist der Aufmacher von Seite 5 im blauen Express"
Eine steile Kerbe bildet sich zwischen den Augenbrauen von Hübl.
„Hmm, ja also. Na dann kann ich noch anbieten eine überraschende Wendung im Doppelmord von ...."
„Das ist die Schlagzeile von Seite 1 der heutigen Kronen-Zeitung, Herr John". Hübl trommelt bereits ungeduldig auf den Tisch, die Kerbe an seiner Stirn hat bereits die Tiefe einer Ackerfurche.
Auf John's Stirne zeigen sich leichte Schweißperlen, unbehaglich wetzt er auf seinem Stuhl, mit einem sicheren Lächeln greift er zum letzten Zettel.
„Also, also das ist aber eine Superstory. Eine Frau, die seit zwei Jahren um das Sorgerecht ihrer Kinder kämpft...."
Hübl erbleicht, springt auf. Mit gepreßter Stimme und einem gefährlichen Flackern in den Augen, nur mühsam an sich haltend um dem Reporter nicht an die Kehle zu fahren: „Herr! Das ist das Thema meines heutigen „Menschlich gesehen".
Dreht sich auf dem Absatz um und rauscht aus dem Zimmer.
John sackt in sich zusammen und fasste damals vermutlich den Entschluß, ins Filmressort zu wechseln und die Romy zu erfinden.
Anekdoten: Verfolgungsjagd
Anekdoten: Ist Fliegen schöner?
Totaler Körpereinsatz
Ist Fliegen schöner ?
Die Freiheit über den Wolken war zur
damaligen Zeit wie immer grenzenlos, allerdings noch etwas teuer und für die
mit Wochenhonoraren nicht unbedingt verwöhnten Lokalreporter durchaus noch eine
Attraktion. Vor allem wenn es kostenlos war.
So dachte auch der Lokalchef Hübl und er
vergab bei Konferenzen Presseflüge durchaus als eine Art Prämie für gutes
Benehmen und tierischen Einsatz. Und so verlieh er dem einsatzfreudigen Heinz
Honies eines Tages einen Trainingsflug mit einer Lufthansa Boeing 707, eine
Belohnung, die der Reporter mit zittrigen Fingern in Empfang nahm und sich
bereits auf dem Wege nach Paris oder London -mit einem kleinen Einkaufsbummel
verbunden - sah. Mit von der Partie war der stille, aber ungeheuer begabte
Fotograf Gerald Zugmann, der sich sofort mit einer Tasche voll Filmen
eindeckte, um diesem Erlebnis gerecht werden zu können.
Abflug war am nächsten morgen um sieben Uhr
morgens, was zwar ein kleiner Wermutstropfen war, aber trotzdem die Vorfreude
nicht besonders trübte.
Pünktlich trudelten denn die Reporter in
Wien -Schwechat ein, wo sie vom Pressechef der Lufthansa- einem molligen,
gemütlichen Herrn in Empfang genommen wurde und man ohne weitere Formalitäten
in Richtung Rollbahn schritt.
Auffällig war, dass der Andrang zu diesem
einmaligen Ereignis nicht besonders groß war, denn die 168 Pasagiere fassende
Maschine war gähnend leer und mit der Besatzung zusammen war man zu siebt.
Wobei es sich der Kapitän des 106 Tonnen schweren, vierstrahligen Düsenvogels
nicht nehmen ließ- allerdings erst nachdem die Bordtütren hermetisch
verschlossen worden waren - seine Passagiere über Sinn und Zweck eines
derartigen Fluges aufzuklären.
Linienpiloten sind in regelmäßigen
Abständen verspflichtet, derartige Trainingsflüge durchzuführen, in deren
Verlauf all das simuliert werden muss, was bei einem regulären Flug alles
schiefgehen kann. Die beiden Reporter hätten nun - meinte er sarkastisch
lächelnd - die einmalige Gelegenheit, dies mitzuerleben um danach über den
hervorragenden Ausbildungsstand des Flugpersonals und der einmaligen
Belastungsfähigkeit eines derartigen Jets berichten zu können.
Und freundlich lächelnd ergänzt der
Pressemann zu den mittlerweile spitz um die Nase werdenden Journalisten: „Das
alles passiert im Raum zwischen Preßburg und St.Pölten."
Honies lehnt sich schwer atmend zurück,
nestelt nach einer Zigarette, was der Pressemensch mit einem Fingerzeig auf das
Leuchtschild verhindert. Zugmann nestelt in seinem Fotokoffer herum, das 35 er
Objektiv rutscht ihm aus den schweißnassen Händen und rollt unter den Sitz. Und
in diesem Moment heulen bereits die Turbinen auf, die Maschine erreicht in
Kürze die Startbahn und ist nach ein paar Sekunden- unbeladen wie sie ist - in
der Luft.
Zugmann hat mittlerweile sein Objektiv
gefunden und montiert, drückt zwei mal drauf und versinkt in seinem Sessel.
Schon meldet sich fröhlich der Kapitän über
die Bordsprechanlage, meint mit teutonischem Zungenschlag dass man mal mit
Feueralarm beginnen werde, wobei bereits die letzten Worte in infernalischem
Geschrill untergehen. Der Lufthansa-Pressemensch, der es sich in der
unbeheizten Maschine auf den Nebensitzen bequem gemacht hat, öffnet und
schließt in dem Lärm den Mund, wodurch er die Gefahrlosigkeit dieser Übung mit
einer beruhigenden Handbewegung verdeutlicht.
Das Feuer ist gelöscht und als nächstes
wird Fliegen mit drei und mit zwei Triebwerken geübt. Wobei der Kapitän seine
Passagiere beruhigt, denn dabei werde man nur etwa 90 Fuß absacken, bis man die
Maschine wieder getrimmt hätte.
Honies sitzt neben der Tragfläche, an der
die Triebwerke stillgelegt werden, wobei sich diese etwas merkwürdig auf und ab
bewegt. Die 90 Fuß Talfahrt erlebt er nur mehr mit geschlossenen Augen.
Nachdem die Piloten auch diese Situation
mit Bravour gemeistert haben- das Flugzeug ist nach Augenschein aus dem
Kabinenfenster - jedenfalls noch ganz schön hoch über Grund, gibt es zur
Erholung eine 60 Grad Steilkurve. Eine Übung, die den Reportern das Gefühl im
Hirn vermittelt in einem Bob zu sitzen, nur dauert das ganze doppelt so lange,
als eine Weltmeisterschaft in Igls.
Bei Zugmann macht sich bereits der Magen
bemerkbar, Honies fühlt sich, nachdem die Maschine nach der Kurve rollt wie ein
Raddampfer vor Feuerland, leicht seekrank.
Erleichtert registrieren die beiden, dass
sich die Maschine senkt und bereits wieder Kurs auf den Heimatflugahfen nimmt,
werden jedoch jäh aus ihren Träumen gerissen, als der Pilot bekannt gibt, dass
man nun ein Durchstart-Manöver auf der Piste plane.
Was auch beinhart durchgezogen wird, denn
kaum setzt der Riesenvogel auf der Landebahn auf, werden die Reporter in den
Sitz gedrückt, da die Maschine mit voller Kraft wieder hochgerissen wird und
gegen den - nicht mehr registrierten azurblauen Himmel- zieht.
Diese Übung dürfte allerdings nicht zur
Zufriedenheit des Prüfers ausgefallen sein, denn sie muss noch zwei Mal
wiederholt werden. Erst bei der vierten Bodenberührung wird der Lärm der
Turbinen gedrosselt, die Maschine wird langsamer und rollt schließlich aus.
Zugmann, dessen Gesicht bereits die Farbe
der Lufthansablauen Sitzüberzüge angenommen hat und Honies, dessen Magen sich
anfühlt, als habe er drei Spiegelungen hinter sich, torkeln die Treppe hinab,
wobei beide knapp davor stehen, die ölverschmierte Betonpiste zu küssen.
Der Pressemensch, der die beiden letzten
Durchstart-Manöver verschlafen hat, ist völlig aufgekratzt ob dieser gelungenen
Veranstaltung.
„Ich glaube jetzt haben wir uns ein
kräftiges Abendessen verdient" meint er schulterklopfend zu den beiden.
Die aufkeimende Panik nur mühsam
unterdrückend flüchten die beiden unter Gemurmel wie "Geschichte
schreiben" und "Bilder entwickeln" in die nächste Toilette.
Anekdoten: Die Rache der Kleinen
Anekdoten: Die Rache der Kleinen
Donnerstag, 18. September 2014
Anekdoten: Lynchjustiz
Doppelmord in Judenau
Lynchjustiz
Kurier
Reporter Heinz Honies schiebt Nachtdienst. Der Polizeifunk rauscht
träge vor sich hin, der Kopf wird bereits schwer, es ist knapp vor vier
Uhr. Der dösende Reporter wird durch das Klingeln des schwarzen Telefons
-dem „Direkten“ - aufgeschreckt. Das Landesgendarmerie-Kommando meldet
freundlicherweise einen Doppelmord in Judenau - zwei Kinder. Honies
verständigt routinemäßig Chefreporter Jäger, der den Fall selbst
übernimmt, wird angewiesen, einen Fotografen zu organisieren - gemeinsam
rumpelt man anschließend im VW-Käfer des Fotografen zum Ort des
Geschehens.
Der
Tatort- eine Wiese außerhalb des Ortes -in dessen Gebüsch man die
Leichen des 12jährigen Knaben und seiner 10jährigen Schwester
aufgefunden hat, liegt im Morgennebel, Honies und Fotograf latschen
durch das kniehohe, taufeuchte Gras, Chefreporter Jäger recherchiert bei
den Kriminalbeamten.
Die
Identität steht fest, Honies und Fotograf besuchen die geschockten
Eltern, wühlen im Familienalbum und nehmen zwei - und um der Konkurrenz
nichts zu hinterlassen auch alle anderen Fotos - der Kinder mit.
Anschließend geht es wieder zum Tatort, die Kriminalisten suchen nach
Hinweisen, vom Täter jedoch keine Spur.
![]() | |
| KURIER-Reporter Heinz Honies anno 1968 |
Jäger
und der Fotograf lassen den mit feuchten, dünnen Lederschuhen und einem
dünnen Mäntelchen bekleideten Honies auf der Wiese zurück, um die Fotos
noch in die Mittagsausgabe zu bringen. Der Chefreporter verspricht eine
Ablöse um 8 Uhr morgens. Die auch pünktlich eintrifft, Honies darf sich
aufwärmen und wird vor dem Dorfwirtshaus in Judenau abgesetzt.
Der
Reporter betritt die Wirtsstube, ausgefroren, unrasiert, die Schuhe naß
und aufgeweicht, die Hosen bis zu den Knien vom nassen Gras dreckig und
vor allem - fremd.
Die
Stube ist um diese Zeit bereits voll mit Einheimischen, der
Zigarettenqualm im Raum ist zum Schneiden, die Stimmung angeheizt- alles
spricht vom Mord an den beiden Kindern, über das Untier, das solch ein
Verbrechen begangen hat und über Konsequenzen, was mit solchen Leuten
geschehen solle.
Als
sich Honies still und bescheiden in eine Ecke setzt, erstirbt das
Gespräch urplötzlich und alle Blicke sind auf den fremden Gast
gerichtet.
Der
Wirt nähert sich mit mißtrauischem Blick dem Tisch. Unbehaglich kratzt
sich der Reporter am Kopf und bestellt heißen Tee mit Rum- was mit einem
wissenden Kopfwenden des Wirtes zu den übrigen Gästen quittiert wird.
Eisige Stille dröhnt ans Ohr des Reporters, die nur durch das laute Ticken einer Wanduhr durchbrochen wird.
Urplötzlich eine Stimme aus der Gruppe an der Schank. „Wann mir den dawischen, braucht er ka Gendarmerie mehr.“
Alle blicken stahlhart zum Tisch des Reporters .
„Na,
logisch.Zerscht daschlogn und dann aufhängen" meint eine zweite, rauhe
Stimme aus der Masse der Umstehenden, die zustimmendes Gemurmel erntet.
„Sowas
gehört sowieso weg" moniert eine grelle Frauenstimme, zu der ein Wetter
gegerbtes Gesicht gehört. „Wer sowas macht, der is ka Mensch".
Die
Gäste nicken zustimmend und blicken in Richtung des unbeteiligt
blickenden Jungreporters, dem nicht allein wegen des Tees immer heißer
wird. Vorsichtig taxiert er nach einem Fluchtweg, vor der Türe aber
haben sich bereits zwei bullige Einheimische mit Händen wie
Dreschflegeln aufgebaut.
Vorsichtig
und in Zeitlupe greift er in seine Innentasche, um seinen Presseausweis
heraus zu fingern, um einen möglicherweise irreparablen Fehler
aufklären zu können. Aber: Die Finger greifen ins Leere. Wie ein
Keulenschlag kommt die Erkenntnis - er ist nicht da.
Der
kalte Schweiß beginnt bereits in Bächen den Rücken herabzufließen,
Bilder von gelynchten und aufgeknüpften Menschen schießen durch sein
Gehirn, diesem Mob kann man nicht entrinnen, die Karriere als männliche
Oriana Fallaci ist dahin.
In diesem Moment wird die Türe aufgerissen, Chefreporter Jäger stürmt herein.
„Wo is da ein Telefon. Mir habn den Täter. Ich muss sofort durchgeben."
Im
Nu hat sich die Gaststube geleert. Zurück bleibt ein dem Tode
entronnener Reporter des Satans, der glücklich einen zweiten Tee mit
doppeltem Rum bestellt.
(Foto: F. Klinsky)
(Foto: F. Klinsky)
Anekdoten: Verfolgungsjagd
Anekdoten: Spesenritter
Reporter im Einsatz
Spesenritter
Zu den ersten Dingen, die ein junger
Reporter im Dienst lernt, zählt das Spesenmachen. Eine Ausfahrt in die
Bundesländer und schon sitzen Reporter und Fotograf im nächsten Restaurant und
dinieren auf Verlagskosten - eine willkommene Abwechslung zum eintönigen
Kantinenfraß. Deshalb drängt es die Reporter auch so oft wie möglich weg vom
Schreibtisch und hin zum noblen Futtertrog.
So auch an diesem Abend. Jungreporter
Honies schiebt wieder einmal Nachtdienst, als über den Fernschreiber eine heiße
Meldung tickert: Neunjähriger Knabe entführt, Täter hat sich in einer Wohnung
in der Steingasse in Salzburg verbarrikadiert.
Was nichts anderes heißt: Nichts wie hin.
Es ist knapp 21 Uhr, in zweieinhalb Stunden ist man in Salzburg - also Zeit
genug, die Story für die blaue Mittagsausgabe fertig zu stellen. Honies
verständigt den diensthabenden Fotografen, einen jungen Mann namens Harry
Fräser, der neben totalem Einsatzwillen auch Marotten wie der Fotograf aus
Antonionis „Blow up" zeigt. Dazu reserviert er sich noch den
Redaktionswagen, einen Renualt R 16, der zu dieser Zeit vom langjährigen
Chauffeur F. Freismuth benutzt wird. Freismuth ist ein bedächtiger Mann
mittleren Alters, der mit untrüglichem Instinkt bereits einen Kilometer vor
einer grün anzeigenden Ampel zu bremsen beginnt, da es ja demnächst Gelb werden
kann. Dies besonders dann, wenn es die Reporter eilig haben, an den Tatort zu
gelangen. (Und wann haben sie es nicht eilig.)
Daneben haben sich Ausfahrten mit Freismuth
unter dem Titel „Vierer mit Steuermann" unter den Kurier-Reportern eingebürgert,
denn gerade auf Autobahnfahrten hat Freismuth scheinbar die Gewohnheit, mit dem
Gasfuß zu wippen, was den Insassen des Fahrzeuges die Illusion vermittelt, in
einem Ruderboot unterwegs zu sein.
![]() | |
| Honies auf Recherche (Foto G. Zugmann) |
Anmerkung am Rande: Die Steingasse ist das
stadtbekannte Nuttenviertel von Salzburg mit der entsprechenden Infrastruktur.
Der erste Passant, der nach dem Weg befragt
wird, weiß natürlich Bescheid und weist die Crew aus Wien ein.
Sie finden trotzdem nicht hin.
Der zweite Passant, der befragt wird, gibt
sich wohlwollend lächelnd informiert und weist die Wiener in die Gegenrichtung.
Ein neuerlicher Fehlschlag.
Die dritte Auskunftsperson lacht nur hell
auf, deutet nebulos nach allen Himmelsrichtungen und erneut geht es durch die -
damals noch zu befahrende salzburger Innenstadt. Die Gasse ist nicht aufzutreiben.
Honies, der um seinen Termin fürchtet, wird
leicht nervös und stürzt ins nächste Polizeiwachzimmer:
„Wie komme ich bitte von hier in die
Steingasse!" stößt er atemlos und gehetzt hervor.
Die Polizisten blicken sich nur
bedeutungsvoll an, geben aber trotzdem eine genaue Lage und Wegbeschreibung.
Das Kopfschütteln der beiden sieht er nicht
mehr, als er zum Wagen stürzt.
Als sie endlich in der besagten Straße vor
dem Haus Nr. 12 vorfahren sieht es nicht besonders gut aus. Drei Kollegen
belagern bereits die Haustür und Honies muss sich von Express-Mitarbeiter Hans
Mahr aufklären lassen, dass hier ein Diplomat logiert, der seinen eigenen Sohn
gegen den Willen seiner Gattin beherbergt und dass der gute Mann nicht gewillt
ist, mit der Presse zu sprechen. Die Polizei - im übrigen - lehne eine
Intervention ab, da es sich um eine reine Privatangelegenheit handle.
Großer Kriegsrat unter den Journalisten,
die mit allen Tricks versuchen, ins Haus zu kommen um zumindest ein Interview
durch den Briefschlitz führen zu können. Der noble Herr selbst droht nach 15
Minuten Geklingel seinerseits die Polizei zu verständigen, die übrigen
Hausbewohner scheinen verstorben zu sein.
Nach einer Stunde vergeblichen Wartens im
kühlen Salzburger Nebel - es ist mittlerweile zwei Uhr morgens-zieht die
Konkurrenz ab, Honies und seine Crew beschließen erbittert, ihre Spesen in
einem guten Abendessen anzulegen.
Und fallen nebenan in ein Lokal mit dem
klingenden Namen „Plaisier d`amour". Das Etablissement zeichnet sich
vorerst durch Fehlen jeglicher Gäste, schummrige Beleuchtung und dezente
Hintergrundmusik aus. Als die drei in einer abgewetzten Samtgarnitur an einem
der Nierentische Platz nehmen, widmen sich gleich drei nette Damen um die
Herren aus Wien, wobei der 18jährige Fotograf eine dralle Mittvierzigerin
zugeteilt bekommt, dem reifen Freismuth ein Mädel mit unbestimmbaren
Gesichtszügen und Altersringen in den Schoß fällt und Honies von einer
schwarzhaarigen Dürren mit spitzen Ellbogen vereinnahmt wird.
Die Frage nach der Speisekarte geht in
heiterem Gelächter unter, allerdings meinen die Damen, ob man denn ihnen nicht
etwas spendieren wolle, übers Essen könne man ja später reden.
Honies als Einsatzleiter stiftet seiner
Dürren daher großzügig einen Cognac, die beiden anderen Herren verwöhnen ihre
Damen mit Bier und Cola. Die Stimmung erreicht vollends ihren Siedepunkt, als
der Kellner mit drei paar Würsteln antanzt und die Damen werden zusehends
handgreiflicher. So hat es der Drallen die enge schwarze Lederhose des
Jung-Fotografen angetan, Honies verspürt wegen der Spitzen Knochen seiner Biene
bereits die ersten blauen Flecken an den Rippen und Freismuth wippt immer
öfters mit seinem Gasfuß.
Als sich im Verlauf der herzlichen
Unterhaltung jedoch bei den Damen rumspricht, dass sie es hier mit Journalisten
zu tun haben, erstarren sie urplötzlich. Und im Weggehen meint die schwarze
Dürre, durchaus nicht unfreundlich: „Wanns glaubts, dass bei uns Vögeln auf
Presseausweis gibt, liegts aber falsch."
Der Kellner präsentiert daher auch umgehend
die Rechnung: 498 Schilling für Honies, je 240 Schilling für die beiden anderen
Kollegen. Bei einem Spesensatz von 120 Schilling.
Als die drei von Salzburg nach Wien
zurückrudern, ist die Unterhaltung denkbar einsilbig.
Anekdoten: Ist Fliegen schöner?
Anekdoten: Ist Fliegen schöner?
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