Reporter im Einsatz
Spesenritter
Zu den ersten Dingen, die ein junger
Reporter im Dienst lernt, zählt das Spesenmachen. Eine Ausfahrt in die
Bundesländer und schon sitzen Reporter und Fotograf im nächsten Restaurant und
dinieren auf Verlagskosten - eine willkommene Abwechslung zum eintönigen
Kantinenfraß. Deshalb drängt es die Reporter auch so oft wie möglich weg vom
Schreibtisch und hin zum noblen Futtertrog.
So auch an diesem Abend. Jungreporter
Honies schiebt wieder einmal Nachtdienst, als über den Fernschreiber eine heiße
Meldung tickert: Neunjähriger Knabe entführt, Täter hat sich in einer Wohnung
in der Steingasse in Salzburg verbarrikadiert.
Was nichts anderes heißt: Nichts wie hin.
Es ist knapp 21 Uhr, in zweieinhalb Stunden ist man in Salzburg - also Zeit
genug, die Story für die blaue Mittagsausgabe fertig zu stellen. Honies
verständigt den diensthabenden Fotografen, einen jungen Mann namens Harry
Fräser, der neben totalem Einsatzwillen auch Marotten wie der Fotograf aus
Antonionis „Blow up" zeigt. Dazu reserviert er sich noch den
Redaktionswagen, einen Renualt R 16, der zu dieser Zeit vom langjährigen
Chauffeur F. Freismuth benutzt wird. Freismuth ist ein bedächtiger Mann
mittleren Alters, der mit untrüglichem Instinkt bereits einen Kilometer vor
einer grün anzeigenden Ampel zu bremsen beginnt, da es ja demnächst Gelb werden
kann. Dies besonders dann, wenn es die Reporter eilig haben, an den Tatort zu
gelangen. (Und wann haben sie es nicht eilig.)
Daneben haben sich Ausfahrten mit Freismuth
unter dem Titel „Vierer mit Steuermann" unter den Kurier-Reportern eingebürgert,
denn gerade auf Autobahnfahrten hat Freismuth scheinbar die Gewohnheit, mit dem
Gasfuß zu wippen, was den Insassen des Fahrzeuges die Illusion vermittelt, in
einem Ruderboot unterwegs zu sein.
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| Honies auf Recherche (Foto G. Zugmann) |
Anmerkung am Rande: Die Steingasse ist das
stadtbekannte Nuttenviertel von Salzburg mit der entsprechenden Infrastruktur.
Der erste Passant, der nach dem Weg befragt
wird, weiß natürlich Bescheid und weist die Crew aus Wien ein.
Sie finden trotzdem nicht hin.
Der zweite Passant, der befragt wird, gibt
sich wohlwollend lächelnd informiert und weist die Wiener in die Gegenrichtung.
Ein neuerlicher Fehlschlag.
Die dritte Auskunftsperson lacht nur hell
auf, deutet nebulos nach allen Himmelsrichtungen und erneut geht es durch die -
damals noch zu befahrende salzburger Innenstadt. Die Gasse ist nicht aufzutreiben.
Honies, der um seinen Termin fürchtet, wird
leicht nervös und stürzt ins nächste Polizeiwachzimmer:
„Wie komme ich bitte von hier in die
Steingasse!" stößt er atemlos und gehetzt hervor.
Die Polizisten blicken sich nur
bedeutungsvoll an, geben aber trotzdem eine genaue Lage und Wegbeschreibung.
Das Kopfschütteln der beiden sieht er nicht
mehr, als er zum Wagen stürzt.
Als sie endlich in der besagten Straße vor
dem Haus Nr. 12 vorfahren sieht es nicht besonders gut aus. Drei Kollegen
belagern bereits die Haustür und Honies muss sich von Express-Mitarbeiter Hans
Mahr aufklären lassen, dass hier ein Diplomat logiert, der seinen eigenen Sohn
gegen den Willen seiner Gattin beherbergt und dass der gute Mann nicht gewillt
ist, mit der Presse zu sprechen. Die Polizei - im übrigen - lehne eine
Intervention ab, da es sich um eine reine Privatangelegenheit handle.
Großer Kriegsrat unter den Journalisten,
die mit allen Tricks versuchen, ins Haus zu kommen um zumindest ein Interview
durch den Briefschlitz führen zu können. Der noble Herr selbst droht nach 15
Minuten Geklingel seinerseits die Polizei zu verständigen, die übrigen
Hausbewohner scheinen verstorben zu sein.
Nach einer Stunde vergeblichen Wartens im
kühlen Salzburger Nebel - es ist mittlerweile zwei Uhr morgens-zieht die
Konkurrenz ab, Honies und seine Crew beschließen erbittert, ihre Spesen in
einem guten Abendessen anzulegen.
Und fallen nebenan in ein Lokal mit dem
klingenden Namen „Plaisier d`amour". Das Etablissement zeichnet sich
vorerst durch Fehlen jeglicher Gäste, schummrige Beleuchtung und dezente
Hintergrundmusik aus. Als die drei in einer abgewetzten Samtgarnitur an einem
der Nierentische Platz nehmen, widmen sich gleich drei nette Damen um die
Herren aus Wien, wobei der 18jährige Fotograf eine dralle Mittvierzigerin
zugeteilt bekommt, dem reifen Freismuth ein Mädel mit unbestimmbaren
Gesichtszügen und Altersringen in den Schoß fällt und Honies von einer
schwarzhaarigen Dürren mit spitzen Ellbogen vereinnahmt wird.
Die Frage nach der Speisekarte geht in
heiterem Gelächter unter, allerdings meinen die Damen, ob man denn ihnen nicht
etwas spendieren wolle, übers Essen könne man ja später reden.
Honies als Einsatzleiter stiftet seiner
Dürren daher großzügig einen Cognac, die beiden anderen Herren verwöhnen ihre
Damen mit Bier und Cola. Die Stimmung erreicht vollends ihren Siedepunkt, als
der Kellner mit drei paar Würsteln antanzt und die Damen werden zusehends
handgreiflicher. So hat es der Drallen die enge schwarze Lederhose des
Jung-Fotografen angetan, Honies verspürt wegen der Spitzen Knochen seiner Biene
bereits die ersten blauen Flecken an den Rippen und Freismuth wippt immer
öfters mit seinem Gasfuß.
Als sich im Verlauf der herzlichen
Unterhaltung jedoch bei den Damen rumspricht, dass sie es hier mit Journalisten
zu tun haben, erstarren sie urplötzlich. Und im Weggehen meint die schwarze
Dürre, durchaus nicht unfreundlich: „Wanns glaubts, dass bei uns Vögeln auf
Presseausweis gibt, liegts aber falsch."
Der Kellner präsentiert daher auch umgehend
die Rechnung: 498 Schilling für Honies, je 240 Schilling für die beiden anderen
Kollegen. Bei einem Spesensatz von 120 Schilling.
Als die drei von Salzburg nach Wien
zurückrudern, ist die Unterhaltung denkbar einsilbig.
Anekdoten: Ist Fliegen schöner?
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