Donnerstag, 18. September 2014

Anekdoten: Die Rache der Kleinen



Hierarchie im Alltag

Die Rache der Kleinen


Obwohl die Zeitungsseiten voll sind mit dem Kampf gegen Hierarchien und deren Auswüchse gelten sie natürlich auch für Redaktionen. Im Falle der Lokalredaktion ist das so, dass auf der untersten Stufe die freien Mitarbeiter und Reporter dahinvegetieren, danach folgt die etablierte Kaste der angestellten Redakteure und deren Sekretärinnen und dann selbstverständlich die Sekreträrin des Ressortchefs und an der Spitze der Pyramide der Chef selbst. Er schwebt bereits im Olymp, er entscheidet was ins Blatt kommt - und damit über den Lebensstandard der freien Mitarbeiter. Deswegen wird er von (fast) allen umschmeichelt und im besten Falle aus tiefsten Herzen gehaßt.
Seine Sekretärin ist deshalb die Schlüsselstelle und wer sich den Unmut dieser Dame zuzieht, der kann seine journalistische Karriere bereits an den Nagel hängen.
Da diese Dame wiederum an einem guten Verhältnis zu ihrem Chef interessiert ist, tut sie alles, um ihn zu verwöhnen- vorwiegend auf Kosten der jüngsten Mitarbeiter.
Deshalb begibt sich jeden Tag dasselbe Ritual:
Die Reporter telefonieren wie verrückt um Stories heran zu schaffen, der obligate 13 Uhr -Termin der Konferenz rückt drohend heran, die Chefsekretärin erscheint im Türrahmen:
„Wer holt dem Herrn Hübl was zum Essen?" lautet die Standardfrage, die durch eine Handhaltung, die für Damen mit frischlackierten Fingernägeln charakteristisch ist, unterstrichen wird.
Alle verkriechen sich hinter den Telefonhörern. Denn das bedeutet um diese Zeit wertvolle Minuten verlieren, möglicherweise den Knüller des Jahres zu versäumen.
Die Sekretärin fackelt aber nicht lange, tritt an Heinz Honies, das jüngste Mitglied der Redaktion heran, drückt ihm Geld in die Hand und meint nur drohend:
„Zwei Fleischlaberln mit Gurkerl und eine Semmel".
Honies begibt sich in die Kantine, reiht sich in die endlose Schlange der hungernden Setzer und Angestellten an, dringt zur Kasse vor und deutet auf den Berg der vor ihm rauchenden, faschierten Laibchen:
„Zwei Fleischlaberln mit Gurkerl und eine Semmel !"
Der Buffetier: „Für Sie ?"
„Nein, für den Herrn Hübl !"
„Moment".
Zur Verwunderung des jungen Reporters verschwindet der Buffetier in der Küche, kehrt mit einem Papier, in dem sich zwei undefinierbare Klumpen graubraunen Fleisches befinden zurück, schneidet eine Gurke auf, deren Saft sich unter die Fleischbrocken schiebt und krönt mit einer Semmel, die er unter dem Pult hervorkramt, dieses Potpurri. Honies blickt fassungslos auf dieses Menü.
„Sie sind neu hier, oder? Wissen sie, die Kollegen lassen immer die Laberln von der Vorwoche für den Herrn Hübl zurück legen. Er vertragt die anderen nicht mit seinem Magen."

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