Hierarchie im Alltag
Die Rache der Kleinen
Obwohl die Zeitungsseiten voll sind mit dem
Kampf gegen Hierarchien und deren Auswüchse gelten sie natürlich auch für
Redaktionen. Im Falle der Lokalredaktion ist das so, dass auf der untersten
Stufe die freien Mitarbeiter und Reporter dahinvegetieren, danach folgt die
etablierte Kaste der angestellten Redakteure und deren Sekretärinnen und dann
selbstverständlich die Sekreträrin des Ressortchefs und an der Spitze der
Pyramide der Chef selbst. Er schwebt bereits im Olymp, er entscheidet was ins
Blatt kommt - und damit über den Lebensstandard der freien Mitarbeiter.
Deswegen wird er von (fast) allen umschmeichelt und im besten Falle aus
tiefsten Herzen gehaßt.
Seine Sekretärin ist deshalb die
Schlüsselstelle und wer sich den Unmut dieser Dame zuzieht, der kann seine
journalistische Karriere bereits an den Nagel hängen.
Da diese Dame wiederum an einem guten
Verhältnis zu ihrem Chef interessiert ist, tut sie alles, um ihn zu verwöhnen-
vorwiegend auf Kosten der jüngsten Mitarbeiter.
Deshalb begibt sich jeden Tag dasselbe
Ritual:
Die Reporter telefonieren wie verrückt um
Stories heran zu schaffen, der obligate 13 Uhr -Termin der Konferenz rückt
drohend heran, die Chefsekretärin erscheint im Türrahmen:
„Wer holt dem Herrn Hübl was zum
Essen?" lautet die Standardfrage, die durch eine Handhaltung, die für
Damen mit frischlackierten Fingernägeln charakteristisch ist, unterstrichen
wird.
Alle verkriechen sich hinter den
Telefonhörern. Denn das bedeutet um diese Zeit wertvolle Minuten verlieren,
möglicherweise den Knüller des Jahres zu versäumen.
Die Sekretärin fackelt aber nicht lange,
tritt an Heinz Honies, das jüngste Mitglied der Redaktion heran, drückt ihm
Geld in die Hand und meint nur drohend:
„Zwei Fleischlaberln mit Gurkerl und eine
Semmel".
Honies begibt sich in die Kantine, reiht
sich in die endlose Schlange der hungernden Setzer und Angestellten an, dringt
zur Kasse vor und deutet auf den Berg der vor ihm rauchenden, faschierten Laibchen:
„Zwei Fleischlaberln mit Gurkerl und eine
Semmel !"
Der Buffetier: „Für Sie ?"
„Nein, für den Herrn Hübl !"
„Moment".
Zur Verwunderung des jungen Reporters
verschwindet der Buffetier in der Küche, kehrt mit einem Papier, in dem sich
zwei undefinierbare Klumpen graubraunen Fleisches befinden zurück, schneidet
eine Gurke auf, deren Saft sich unter die Fleischbrocken schiebt und krönt mit
einer Semmel, die er unter dem Pult hervorkramt, dieses Potpurri. Honies blickt
fassungslos auf dieses Menü.
„Sie sind neu hier, oder? Wissen sie, die
Kollegen lassen immer die Laberln von der Vorwoche für den Herrn Hübl zurück
legen. Er vertragt die anderen nicht mit seinem Magen."
Anekdoten: Lynchjustiz
Anekdoten: Lynchjustiz
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