Donnerstag, 25. September 2014

Anekdoten: Ist Fliegen schöner?



Totaler Körpereinsatz

Ist Fliegen schöner ?


Die Freiheit über den Wolken war zur damaligen Zeit wie immer grenzenlos, allerdings noch etwas teuer und für die mit Wochenhonoraren nicht unbedingt verwöhnten Lokalreporter durchaus noch eine Attraktion. Vor allem wenn es kostenlos war.
So dachte auch der Lokalchef Hübl und er vergab bei Konferenzen Presseflüge durchaus als eine Art Prämie für gutes Benehmen und tierischen Einsatz. Und so verlieh er dem einsatzfreudigen Heinz Honies eines Tages einen Trainingsflug mit einer Lufthansa Boeing 707, eine Belohnung, die der Reporter mit zittrigen Fingern in Empfang nahm und sich bereits auf dem Wege nach Paris oder London -mit einem kleinen Einkaufsbummel verbunden - sah. Mit von der Partie war der stille, aber ungeheuer begabte Fotograf Gerald Zugmann, der sich sofort mit einer Tasche voll Filmen eindeckte, um diesem Erlebnis gerecht werden zu können.
Abflug war am nächsten morgen um sieben Uhr morgens, was zwar ein kleiner Wermutstropfen war, aber trotzdem die Vorfreude nicht besonders trübte.
Pünktlich trudelten denn die Reporter in Wien -Schwechat ein, wo sie vom Pressechef der Lufthansa- einem molligen, gemütlichen Herrn in Empfang genommen wurde und man ohne weitere Formalitäten in Richtung Rollbahn schritt.
Auffällig war, dass der Andrang zu diesem einmaligen Ereignis nicht besonders groß war, denn die 168 Pasagiere fassende Maschine war gähnend leer und mit der Besatzung zusammen war man zu siebt. Wobei es sich der Kapitän des 106 Tonnen schweren, vierstrahligen Düsenvogels nicht nehmen ließ- allerdings erst nachdem die Bordtütren hermetisch verschlossen worden waren - seine Passagiere über Sinn und Zweck eines derartigen Fluges aufzuklären.
Linienpiloten sind in regelmäßigen Abständen verspflichtet, derartige Trainingsflüge durchzuführen, in deren Verlauf all das simuliert werden muss, was bei einem regulären Flug alles schiefgehen kann. Die beiden Reporter hätten nun - meinte er sarkastisch lächelnd - die einmalige Gelegenheit, dies mitzuerleben um danach über den hervorragenden Ausbildungsstand des Flugpersonals und der einmaligen Belastungsfähigkeit eines derartigen Jets berichten zu können.
Und freundlich lächelnd ergänzt der Pressemann zu den mittlerweile spitz um die Nase werdenden Journalisten: „Das alles passiert im Raum zwischen Preßburg und St.Pölten."
Honies lehnt sich schwer atmend zurück, nestelt nach einer Zigarette, was der Pressemensch mit einem Fingerzeig auf das Leuchtschild verhindert. Zugmann nestelt in seinem Fotokoffer herum, das 35 er Objektiv rutscht ihm aus den schweißnassen Händen und rollt unter den Sitz. Und in diesem Moment heulen bereits die Turbinen auf, die Maschine erreicht in Kürze die Startbahn und ist nach ein paar Sekunden- unbeladen wie sie ist - in der Luft.
Zugmann hat mittlerweile sein Objektiv gefunden und montiert, drückt zwei mal drauf und versinkt in seinem Sessel.
Schon meldet sich fröhlich der Kapitän über die Bordsprechanlage, meint mit teutonischem Zungenschlag dass man mal mit Feueralarm beginnen werde, wobei bereits die letzten Worte in infernalischem Geschrill untergehen. Der Lufthansa-Pressemensch, der es sich in der unbeheizten Maschine auf den Nebensitzen bequem gemacht hat, öffnet und schließt in dem Lärm den Mund, wodurch er die Gefahrlosigkeit dieser Übung mit einer beruhigenden Handbewegung verdeutlicht.
Das Feuer ist gelöscht und als nächstes wird Fliegen mit drei und mit zwei Triebwerken geübt. Wobei der Kapitän seine Passagiere beruhigt, denn dabei werde man nur etwa 90 Fuß absacken, bis man die Maschine wieder getrimmt hätte.
Honies sitzt neben der Tragfläche, an der die Triebwerke stillgelegt werden, wobei sich diese etwas merkwürdig auf und ab bewegt. Die 90 Fuß Talfahrt erlebt er nur mehr mit geschlossenen Augen.
Nachdem die Piloten auch diese Situation mit Bravour gemeistert haben- das Flugzeug ist nach Augenschein aus dem Kabinenfenster - jedenfalls noch ganz schön hoch über Grund, gibt es zur Erholung eine 60 Grad Steilkurve. Eine Übung, die den Reportern das Gefühl im Hirn vermittelt in einem Bob zu sitzen, nur dauert das ganze doppelt so lange, als eine Weltmeisterschaft in Igls.
Bei Zugmann macht sich bereits der Magen bemerkbar, Honies fühlt sich, nachdem die Maschine nach der Kurve rollt wie ein Raddampfer vor Feuerland, leicht seekrank.
Erleichtert registrieren die beiden, dass sich die Maschine senkt und bereits wieder Kurs auf den Heimatflugahfen nimmt, werden jedoch jäh aus ihren Träumen gerissen, als der Pilot bekannt gibt, dass man nun ein Durchstart-Manöver auf der Piste plane.
Was auch beinhart durchgezogen wird, denn kaum setzt der Riesenvogel auf der Landebahn auf, werden die Reporter in den Sitz gedrückt, da die Maschine mit voller Kraft wieder hochgerissen wird und gegen den - nicht mehr registrierten azurblauen Himmel- zieht.
Diese Übung dürfte allerdings nicht zur Zufriedenheit des Prüfers ausgefallen sein, denn sie muss noch zwei Mal wiederholt werden. Erst bei der vierten Bodenberührung wird der Lärm der Turbinen gedrosselt, die Maschine wird langsamer und rollt schließlich aus.
Zugmann, dessen Gesicht bereits die Farbe der Lufthansablauen Sitzüberzüge angenommen hat und Honies, dessen Magen sich anfühlt, als habe er drei Spiegelungen hinter sich, torkeln die Treppe hinab, wobei beide knapp davor stehen, die ölverschmierte Betonpiste zu küssen.
Der Pressemensch, der die beiden letzten Durchstart-Manöver verschlafen hat, ist völlig aufgekratzt ob dieser gelungenen Veranstaltung.
„Ich glaube jetzt haben wir uns ein kräftiges Abendessen verdient" meint er schulterklopfend zu den beiden.
Die aufkeimende Panik nur mühsam unterdrückend flüchten die beiden unter Gemurmel wie "Geschichte schreiben" und "Bilder entwickeln" in die nächste Toilette.

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