Totaler Körpereinsatz
Ist Fliegen schöner ?
Die Freiheit über den Wolken war zur
damaligen Zeit wie immer grenzenlos, allerdings noch etwas teuer und für die
mit Wochenhonoraren nicht unbedingt verwöhnten Lokalreporter durchaus noch eine
Attraktion. Vor allem wenn es kostenlos war.
So dachte auch der Lokalchef Hübl und er
vergab bei Konferenzen Presseflüge durchaus als eine Art Prämie für gutes
Benehmen und tierischen Einsatz. Und so verlieh er dem einsatzfreudigen Heinz
Honies eines Tages einen Trainingsflug mit einer Lufthansa Boeing 707, eine
Belohnung, die der Reporter mit zittrigen Fingern in Empfang nahm und sich
bereits auf dem Wege nach Paris oder London -mit einem kleinen Einkaufsbummel
verbunden - sah. Mit von der Partie war der stille, aber ungeheuer begabte
Fotograf Gerald Zugmann, der sich sofort mit einer Tasche voll Filmen
eindeckte, um diesem Erlebnis gerecht werden zu können.
Abflug war am nächsten morgen um sieben Uhr
morgens, was zwar ein kleiner Wermutstropfen war, aber trotzdem die Vorfreude
nicht besonders trübte.
Pünktlich trudelten denn die Reporter in
Wien -Schwechat ein, wo sie vom Pressechef der Lufthansa- einem molligen,
gemütlichen Herrn in Empfang genommen wurde und man ohne weitere Formalitäten
in Richtung Rollbahn schritt.
Auffällig war, dass der Andrang zu diesem
einmaligen Ereignis nicht besonders groß war, denn die 168 Pasagiere fassende
Maschine war gähnend leer und mit der Besatzung zusammen war man zu siebt.
Wobei es sich der Kapitän des 106 Tonnen schweren, vierstrahligen Düsenvogels
nicht nehmen ließ- allerdings erst nachdem die Bordtütren hermetisch
verschlossen worden waren - seine Passagiere über Sinn und Zweck eines
derartigen Fluges aufzuklären.
Linienpiloten sind in regelmäßigen
Abständen verspflichtet, derartige Trainingsflüge durchzuführen, in deren
Verlauf all das simuliert werden muss, was bei einem regulären Flug alles
schiefgehen kann. Die beiden Reporter hätten nun - meinte er sarkastisch
lächelnd - die einmalige Gelegenheit, dies mitzuerleben um danach über den
hervorragenden Ausbildungsstand des Flugpersonals und der einmaligen
Belastungsfähigkeit eines derartigen Jets berichten zu können.
Und freundlich lächelnd ergänzt der
Pressemann zu den mittlerweile spitz um die Nase werdenden Journalisten: „Das
alles passiert im Raum zwischen Preßburg und St.Pölten."
Honies lehnt sich schwer atmend zurück,
nestelt nach einer Zigarette, was der Pressemensch mit einem Fingerzeig auf das
Leuchtschild verhindert. Zugmann nestelt in seinem Fotokoffer herum, das 35 er
Objektiv rutscht ihm aus den schweißnassen Händen und rollt unter den Sitz. Und
in diesem Moment heulen bereits die Turbinen auf, die Maschine erreicht in
Kürze die Startbahn und ist nach ein paar Sekunden- unbeladen wie sie ist - in
der Luft.
Zugmann hat mittlerweile sein Objektiv
gefunden und montiert, drückt zwei mal drauf und versinkt in seinem Sessel.
Schon meldet sich fröhlich der Kapitän über
die Bordsprechanlage, meint mit teutonischem Zungenschlag dass man mal mit
Feueralarm beginnen werde, wobei bereits die letzten Worte in infernalischem
Geschrill untergehen. Der Lufthansa-Pressemensch, der es sich in der
unbeheizten Maschine auf den Nebensitzen bequem gemacht hat, öffnet und
schließt in dem Lärm den Mund, wodurch er die Gefahrlosigkeit dieser Übung mit
einer beruhigenden Handbewegung verdeutlicht.
Das Feuer ist gelöscht und als nächstes
wird Fliegen mit drei und mit zwei Triebwerken geübt. Wobei der Kapitän seine
Passagiere beruhigt, denn dabei werde man nur etwa 90 Fuß absacken, bis man die
Maschine wieder getrimmt hätte.
Honies sitzt neben der Tragfläche, an der
die Triebwerke stillgelegt werden, wobei sich diese etwas merkwürdig auf und ab
bewegt. Die 90 Fuß Talfahrt erlebt er nur mehr mit geschlossenen Augen.
Nachdem die Piloten auch diese Situation
mit Bravour gemeistert haben- das Flugzeug ist nach Augenschein aus dem
Kabinenfenster - jedenfalls noch ganz schön hoch über Grund, gibt es zur
Erholung eine 60 Grad Steilkurve. Eine Übung, die den Reportern das Gefühl im
Hirn vermittelt in einem Bob zu sitzen, nur dauert das ganze doppelt so lange,
als eine Weltmeisterschaft in Igls.
Bei Zugmann macht sich bereits der Magen
bemerkbar, Honies fühlt sich, nachdem die Maschine nach der Kurve rollt wie ein
Raddampfer vor Feuerland, leicht seekrank.
Erleichtert registrieren die beiden, dass
sich die Maschine senkt und bereits wieder Kurs auf den Heimatflugahfen nimmt,
werden jedoch jäh aus ihren Träumen gerissen, als der Pilot bekannt gibt, dass
man nun ein Durchstart-Manöver auf der Piste plane.
Was auch beinhart durchgezogen wird, denn
kaum setzt der Riesenvogel auf der Landebahn auf, werden die Reporter in den
Sitz gedrückt, da die Maschine mit voller Kraft wieder hochgerissen wird und
gegen den - nicht mehr registrierten azurblauen Himmel- zieht.
Diese Übung dürfte allerdings nicht zur
Zufriedenheit des Prüfers ausgefallen sein, denn sie muss noch zwei Mal
wiederholt werden. Erst bei der vierten Bodenberührung wird der Lärm der
Turbinen gedrosselt, die Maschine wird langsamer und rollt schließlich aus.
Zugmann, dessen Gesicht bereits die Farbe
der Lufthansablauen Sitzüberzüge angenommen hat und Honies, dessen Magen sich
anfühlt, als habe er drei Spiegelungen hinter sich, torkeln die Treppe hinab,
wobei beide knapp davor stehen, die ölverschmierte Betonpiste zu küssen.
Der Pressemensch, der die beiden letzten
Durchstart-Manöver verschlafen hat, ist völlig aufgekratzt ob dieser gelungenen
Veranstaltung.
„Ich glaube jetzt haben wir uns ein
kräftiges Abendessen verdient" meint er schulterklopfend zu den beiden.
Die aufkeimende Panik nur mühsam
unterdrückend flüchten die beiden unter Gemurmel wie "Geschichte
schreiben" und "Bilder entwickeln" in die nächste Toilette.
Anekdoten: Die Rache der Kleinen
Anekdoten: Die Rache der Kleinen
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