Nächte in Wien
Verfolgungsjagd
Einer der beliebtesten Partner der Wiener
Lokalredakteure war der freie Photograph Clemens Pausinger, der speziell die
Nächte in Wien abdeckte. Pausinger, wohlbeleibter Sohn eines
Gerichtspräsidenten, hatte sein Hauptquartier-sprich Wohnung- im Wiener
Messepalast eingerichtet, wo ein Zimmer nur mit Funkgeräten vollgerammelt war.
Hier konnte er - besser seine Gattin Maria - sämtliche Frequenzen abhören, wenn
die Gattin müde wurde, setzte sich die Mutter, ständig Austria 3 vor sich
hinrauchend, an die Geräte. Bei den Reportern sehr beliebt war Pausingers
Einladung zur Jause - um fünf Uhr morgens. Wenn man das Glück, und eine ruhige
Nacht erwischt hatte, Gattin Maria mittlerweile wieder aufgewacht war, gab es
zumeist Forelle blau. Es waren die von Clemens „in der Tschechei" selbst
gefangenen und in der Badewanne dahindümpelnden Fische, die in der Wiener
Nachtreporterszene geradezu schon legendär geworden waren. Ansonsten verbrachte
man die übrige nacht in Pausingers VW-Käfer, der ebenfalls mit einem
leistungsstarken Funkgerät ausgestattet war. Das Auto sah - bis auf die
Nummerntafel - den Einsatzwagen des Wiener Sicherheitsbüros zum Verwechseln
ähnlich und dessen gute Motorisierung machte es möglich, oft früher als die
Polizei selbst, am Tatort zu sein.
In einer nebeligen Herbstnacht, es ist 0:30
Uhr, läutet nun der Direkte in der Kurier-Lokalredaktion, der diensthabende
Reporter Heinz Honies hebt. ab. Am anderen Ende Pausinger mit dem schon bekannten
Spruch : "No, Masta, fahr mir ein bissl spazieren?" Honies - an Forellen
denkend - bejaht und zehn Minuten später gondeln die beiden durch die nächtliche
Stadt.
Allerdings ist es heute ausnehmend ruhig,
Anton, Berta und Konrad quatschen im Funk, Hinweise auf gröbere Verbrechen
bleiben aus.
Pausinger und Honies drehen bereits in
Heiligenstadt wieder um, fahren den Donaukanal entlang, vorbei am im Bau
befindlichen Fernheizwerk.
Plötzlich meldet sich Berta aufgeregt und
meldet, dass sie einen weißen Pkw in der Nordbahnstraße mit etwa 100 km/h
verfolgen und Unterstützung benötigen. Sofort belebt sich der Funkkanal und
etliche andere Funkstreifen beteiligen sich an der Jagd. eine hektische Stimme
gibt immer wieder die Route des flüchtenden Pkw bekannt. Letzte Meldung: Wagen
nähert sich von Wallensteinstraße der Friedensbrücke.
Pausinger, der mit Honies gerade die
Spittelauer Lände in Richtung Friedensbrüche dahinzuckelt, strafft sich in all
seiner Beleibtheit, klopft Honies auf den Schenkel und brüllt: „Mir stelln uns
quer, der kummt mir net aus."
Er ruckelt langsam in die Kreuzung - es ist
gerade Grün - und bleibt mit laufendem Motor stehen.
Honies meint nur, ob das eine besonders
gute Idee sei, denn es könne ja sein, dass der Flüchtige trotzdem nicht stehen
bleiben wolle. Aber zu einer weiteren Diskussion darüber kommt es erst gar
nicht.
Tatsächlich erscheint in der
Wallensteinstraße ein grelles Scheinwerferpaar, das sich in rasender
Geschwindgkeit der Friedensbrücke nähert, dahinter eine Unzahl von
Blaulichtern.Es überquert bei Rot die Klosterneuburger Straße und scheint vor
der ebenfalls roten Ampel am anderen Ende der Brücke noch zu beschleunigen.
Pausinger, der bereits am Rücksitz nach seinen Fotoapparaten gesucht hat,
erstarrt: „Der bleibt wirklich net stehen!" schreit er nur verwundert,
knallt im selben Moment den Gang hinein und das Auto springt mit aufheulendem
Motor zwei Meter vorwärts.
Keinen Sekundenbruchteil zu spät. Denn
haarscharf hinter den beiden rauscht der weiße Pkw mit gut 120 km/h vorbei,
Sekunden später vier Funkstreifen. Pausinger, blickt hinter dem Konvoi, der
sich in Richtung Franz Josefs Bahnhof absetzt her und meint nahzu beleidigt:
„Hast des gesehn, der ist net stehn blieben."
Honies kann nicht antworten, er setzt
gerade zum dritten Versuch an, mit zittrigen Fingern eine Zigarette in Brand zu
setzen.
Pausinger ist allerdings nicht der Mann,
der so etwas auf sich sitzen läßt.“Na den hol mir uns" meint er entrüstet,
denn immerhin wären das 80 Schilling pro Bild gewesen.
Im Polizeifunk geht die Jagd ebenfalls noch
weiter. Der flüchtige Pkw rast nun vom 9.Bezirk in Richtung Ring und in die
Innenstadt. Pausinger und Honies am Franz Josefs Kai nahezu gleich auf mit dem
Verfolgten.
Dann kommt die Meldung: Pkw in einer
Sackgasse gestellt, eine Minute später sind die beiden Reporter ebenfalls dort.
Allerdings bietet sich allen Beteiligten
ein seltsames Bild: Die Polizisten haben den weißen Pkw umstellt,die
Beifahrertüre ist offen, am Fahrersitz trohnt eine riesige Dogge.
Einer der Polizeibeamten blickt nur ratlos
im Kreis und meint: „Na, des gibts ja alles net".
Das Rätsel klärt sich allerdings wenige
Minuten später: Der Lenker, eine Dame des Wiener Nachtlebens, flüchtete aus dem
Fahrzeug und versteckte sich unter einem parkenden Klein-Lkw. Pausinger kam
doch noch zu seinem Foto, Honies zu einer dringend benötigten Forelle blau.
Ankedoten: Spesenritter
Ankedoten: Spesenritter
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